Die Fachliteratur hat bis zur Veröffentlichung der Entscheidung vielseitig diskutiert, inwieweit Ärzte sich der Bestechlichkeit strafbar machen können. Ein niedergelassener Vertragsarzt handelt bei der Verordnung von Arzneimitteln weder als Amtsträger noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen, so der BGH in seinem Beschluss vom 29.03.2012, Az.: GSSt 2/1. Damit scheidet diese Strafbarkeit aus.

Der Fall:

Eine Pharmareferentin praktizierte seit 1997 ein Prämiensystem für die ärztliche Verordnung von Medikamenten aus ihrem Vertrieb. Dieses sah vor, dass Ärzte für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens  5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten. Die Zahlungen der Prämien wurden  als Honorar für fiktive  wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen. Auf der Grundlage dieses Prämiensystems übergab die Pharmareferentin in insgesamt 16 Fällen verschiedenen Vertragsärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 €.

Die Entscheidung:

Kassenärzte, die von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich weder wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB noch wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB strafbar.

Die Amtsträgereigenschaft besteht nicht, da Vertragsärzte keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Das Verhältnis des Versicherten zum Arzt werde wesentlich bestimmt von einem  persönlichen Vertrauensverhältnis und einer den Krankenkassen entzogenen Gestaltungsfreiheit. Die Versicherten können unter zugelassenen Ärzten eine freie Auswahl treffen. Damit stellt der BGH fest, dass trotz der Besonderheiten des Vertragsarztrechts das nötige Näheverhältnis des Arztes zum Verwaltungsbetrieb der Kassen nicht besteht.

Die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln rechtfertige  nicht die Annahme, der Vertragsarzt handelt insoweit in Ausführung öffentlicher Verwaltung. Die Verordnung konkretisiere zwar die gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf Sachleistungen, sie sei aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollziehe sich innerhalb des personalgeprägten Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Versicherten. Zudem komme zwischen Vertragsarzt und Patienten ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zustande. Im Falle der Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages hafte der Arzt nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen, so der BGH zur weiteren Begründung.

Auch die Qualifizierung eines Arztes als Beauftragter der Krankenkassen scheide aus, da sich der Arzt und die Krankenkassen zur Versorgung der Versicherten kooperativ zusammenwirken und damit auf gleicher Ebene stehen. Insofern fehlt es an dem für eine Beauftragung typischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis.

Praxistipp:

Für die Ärzteschaft ist dieses Urteil ein deutliches Signal, dass sie eben Freiberufler und keine quasi-Angestellten der Gesetzlichen Krankenkassen sind. Weiterhin kann es beruhigen, dass eine Strafbarkeit in diesen Fallkonstellationen ausscheidet.

Die rechtlichen Grenzen solcher Handlungen sind jedoch eng und deutlich. Das ärztliche Berufsrecht und das Wettbewerbsrecht setzen hier klare Verbote. Auch das Kassenarztrecht wurde durch das Versorgungsstrukturgesetz an diesen Stellen verschärft.

Provisionen und andere Vorteile, die in allen anderen Wirtschaftsbereichen völlig üblich und unproblematisch sind, erwecken in der ärztlichen Berufsausübung immer den Eindruck, dass wirtschaftliche Aspekte und nicht das Patientenwohl für bestimmte Zuweisungen und Empfehlungen im Vordergrund stehen. Deshalb gibt es hier klare Verbote.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, fachlichen Rat eines Medizinrechtlers einzuholen, bevor Kooperationen gelebt werden, speziell, wenn zwischen den Beteiligten Gelder fließen.

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