Die Regenbogenpresse und Magazine sind derzeit voll von Schlagzeilen wie „Zwei-Klassen-Medizin“ oder „Wenn’s mal wieder länger dauert.“. Die Diskussion um Wartezeiten in Arztpraxen ist in aller Munde. Besonders der Vergleich der Wartezeiten für gesetzlich oder privat versicherte Patienten erhitzt die Gemüter.

Der BKK Bundesverbande hat die Firma TNS Healthcare im Frühjahr 2008 beauftragt, eine repräsentative Umfrage durchzuführen. Ziel war es, die tatsächlichen Wartezeiten zu untersuchen und in der Auswertung zu prüfen, ob Privatpatienten tatsächlich bevorzugt werden. Das Ergebnis gibt Einblicke auf die Hintergründe und neue Erkenntnisse zur Überarbeitung des eigenen Bestellsystems.

In der Umfrage wurden insgesamt 6.013 Personen bundesweit zu ihrem letzten Arztbesuch telefonisch befragt. Die Teilnehmer der Studie waren zu 85% gesetzlich und zu 12% privat versichert.

Von diesen Befragten besuchten 79% in den letzten 12 Monaten einen oder mehrere Ärzte. Dabei gaben 88% der Patienten an, bei ihrem Hausarzt gewesen zu sein. Insgesamt 95% waren bei einem Facharzt. Allein 75% entfallen hierbei auf einen Zahnarztbesuch.

Nur 38% der Patienten gingen wegen akuter Beschwerden zum Arzt. Die politische Intention, den Hausarzt als erste Anlaufstelle zu etablieren, ist insoweit erfüllt, dass 45% der Hausarzt-Besucher akute Beschwerden hatten. Bei Fachärzten lag dieser Prozentsatz nur bei 33%.

Doch kommen wir zu den Hintergründen für das Auftreten von Wartezeiten:

Circa 2/3 aller Patienten haben, unabhängig vom Grad ihrer Beschwerden einen Termin mit ihrem Arzt vereinbart. Ohne vorherige Anmeldung sind 19% der Privatpatienten und 25% der gesetzlich Versicherten direkt zum jeweiligen Arzt gegangen. Bei den Patienten, die mit akuten Beschwerden zu ihrem Arzt gingen, ist der Unterschied noch größer. Hier vereinbarten 40% der GKV-Patienten vorab keinen Termin. Von den Privatversicherten verzichteten nur 29% auf eine vorherige Anmeldung. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Wartezeiten von Privatpatienten schon aus dem Grunde kürzer ausfallen, weil sie sich vorab häufiger angemeldet haben.

Die Studie hat aber auch ergeben, dass trotz Bestehen von akuten Beschwerden Privatpatienten mit einer Wartezeit von 3 Tagen zwischen Anmeldung und Behandlung, kürzer auf einen Termin warten als gesetzlich Versicherte mit 8 Tagen. Damit scheint sich der Vorwurf der Bevorzugung bestätigt zu haben. Dass dem nicht so ist, zeigt wiederum der Blick auf die Details. Bei der Frage nach den Gründen für die Wahl des Termins gaben 12% der Patienten an, dass der jeweilige Termin aus persönlichen oder zeitlichen Gründen selbst gewählt oder als Wunschtermin (10%) eigens vorgeschlagen worden ist. Nur zu 14% wurde die Wartezeit damit begründet, dass nach Aussage der Praxis keine freien Termine existierten.

Unabhängig von der Frage, ob nun Privatpatienten bevorzugt werden, ergibt sich aus der Umfrage ein interessanter Vergleich der Wartezeiten im Wartezimmer der Praxis bei den unterschiedlichen Fachrichtungen.
Im Durchschnitt warten die Patienten in der Praxis 28 Minuten. Die kürzeste Wartezeit besteht bei Zahnärzten (14 Minuten). Beim Hausarzt wartet der Patient eine halbe Stunde, beim Chirurgen gar 42 Minuten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So spielt etwa der Behandlungsumfang eine entscheidende Rolle dafür, ob Verzögerungen eintreten. Aber auch die Form des Bestellsystems kann hier Auswirkungen haben.

Zusammenfassung:

Letztendlich hat die Umfrage ergeben, dass GKV-Patienten mit akuten Schmerzen 8 Minuten länger warten als Privatpatienten. Wurde vorab ein Termin vereinbart, betrug die Wartezeit bei gesetzlich Versicherten dennoch 5 Minuten länger.

Im Ergebnis bestätigt die Studie zwar, dass Privatpatienten unter Umständen kürzere Zeit auf einen Arzttermin warten müssen. Der Vorwurf einer „Zwei-Klassen-Medizin“ hat sich aber nicht bestätigt, wenn man die verbleibenden Unterschiede betrachtet. Insbesondere die Hintergründe, zum Beispiel die geringere Zahl von Terminvereinbarungen durch GKV-Patienten erklärt auftretende Unterschiede, ohne als Argument für die Diskreditierung der Ärzteschaft dienen zu können.

Unser Tipp:

Profitieren Sie von den Ergebnissen und setzen Sie diese in Ihrer Praxis um. Prüfen Sie zunächst Ihre eigenen Wartezeiten. Lassen Sie sich notieren, wann der einzelne Patient das Wartezimmer betreten hat. Nur durch die Erfassung dieser individuellen Daten können Sie Verbesserungen in Ihrer Praxis vornehmen.

Liegen Ihre Wartezeiten oberhalb der Unfrageergebnisse?

Starten Sie eine Patientenumfrage zur Zufriedenheit mit dem Bestellsystem, den Wartezeiten und der Freundlichkeit Ihrer Mitarbeiter bei der Terminvereinbarung oder -absage. Zum einen erhalten Sie auch auf diesem Wege Informationen, die eine Bewertung und Umsetzung ermöglichen. Zum anderen schaffen Sie eine zusätzliche Vertrauensbasis zu Ihren Patienten, da die Durchführung einer solchen Umfrage als Zeichen Ihres Interesses an den Bedürfnissen der Patienten gewertet wird.

Überprüfen Sie anhand der ermittelten Daten an welchen Punkten Unzufriedenheit besteht und versuchen Sie, diese zu verbessern. Optimieren Sie Ihr Bestellsystem durch den Einsatz von geeigneter Computersoftware. Nehmen Sie sich die guten Zahlen bei den Zahnärzten zum Vorbild. Diese lassen sich zu einem großen Teil mit der professionellen Planung und Umsetzung von computerbasierten Bestellsystemen erklären. Dieser Aufwand lohnt sich. Die Zufriedenheit Ihrer Patienten wird Ihnen Recht geben.

Wir empfehlen Ihnen weiterhin anhand Ihrer Patientenstruktur zu prüfen, ob die Einführung oder Ausweitung von Privatsprechstundenzeiten sinnvoll erscheint. Dadurch können Sie dem Anschein einer Ungleichbehandlung begegnen, indem Sie die Patientenströme neu aufteilen.

Die Diskussion über die Bevorzugung von Privatpatienten ist müßig. Wählen Sie ein System, welches individuell auf Ihre Praxis abgestimmt ist. Sind Ihre Patienten mit diesem Modus zufrieden, erübrigt sich jegliche Debatte über bestimmte Vorurteile.