Hin und wieder fragen mich Ärzte, wie weit die Schweigepflicht reicht, wenn der Patient verstorben ist. Müssen die Krankenakten des Verstorbenen den Angehörigen herausgegeben werden?

Meine Antwort:

Die Schweigepflicht besteht grundsätzlich für den Arzt auch über den Tod des Patienten hinaus. Dies ist ausdrücklich in § 9 Abs. 1 Musterberufsordnung normiert.

Maßgeblich ist der (mutmaßliche) Wille des verstorbenen Patienten. Dabei hat der Arzt zu prüfen, ob Anhaltspunkte bestehen, dass der Patient Krankheiten oder andere Umstände geheim halten wollte. Anschließend muss der Arzt die Verweigerung von Auskünften bzw. der Herausgabe von Unterlagen begründen.

Bezüglich der Testierfähigkeit wird dagegen die Schweigepflichtentbindung vermutet, da in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die Aufklärung von Zweifeln an der Testierfähigkeit im Interesse des verstorbenen Patienten als Erblassers liegt.

In den Fällen, in denen es nicht um die Beurteilung der Testierfähigkeit geht, wird in der Rechtsprechung nicht klar definiert, wie konkret die Darlegung von Gründen für das Festhalten an der Schweigepflicht sein muss:

Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 17.03.2011 betont, dass der Arzt darlegen müsse, unter welchem allgemeinen Gesichtspunkt er sich durch die Schweigepflicht an der Offenbarung der Unterlagen gehindert sieht, wobei seine Weigerung auf konkrete oder mutmaßliche Belange des Verstorbenen gestützt werden muss. Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass der Arzt aus eigenen und dadurch sachfremden Gründen eine Einsicht in die Patientenunterlagen verweigert.

Fakt ist jedoch, dass eine Begründung der Verweigerung nur im allgemeinen Rahmen verlangt werden kann, da anderenfalls die damit zu rechtfertigende Geheimhaltung im Ergebnis doch unterlaufen würde. Der BGH hat daher in einer Entscheidung dargelegt, dass lediglich allgemeine Gesichtspunkte für die Begründung ausreichen und keine einzelfallbezogenen Erwägungen notwendig sind.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Arzt in jedem Einzelfall entscheiden muss, wie nach dem Tod des Patienten dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen ist, ohne gegen die eigene Schweigepflicht zu verstoßen. Die gleiche Frage stellt sich auch bei Anfragen seitens der Krankenkasse auf Herausgabe der Krankenakten.

Praxistipp zur Schweigepflicht:

Folgende Grundsätze sollten Sie beherzigen:

  • Der Hinweis auf allgemeine moralische Bedenken des Arztes genügt nicht.
  • Allein die Berufung auf den postmortalen Persönlichkeitsschutz nach Art. 2 GG reicht ebenfalls nicht aus.
  • Der Arzt sollte zumindest darlegen, dass sein Schweigen überhaupt auf konkrete Belange des Verstorbenen gestützt ist.