Zahnärzte gehen immer neue Wege in der Werbung für ihre Praxis. Sie bekommen hierbei mehr und mehr Unterstützung von der Rechtsprechung, da die Gerichte Werbeverbote immer häufiger für nicht mehr zeitgemäß erklären.

Die neuesten Urteile befassen sich mit der Werbung von Zahnärzten auf Groupon bzw. DailyDeal. Ich habe in einem früheren Artikel diese Werbung für zulässig, wenn auch für nicht zielführend erachtet.

Jetzt haben die Landgerichte Köln (Az.: 31 O 767/11 und 31 O 25/12) und Berlin (Az.: 52 O 231/11) diese Werbung für wettbewerbswidrig erklärt.

Folgende Fragen sollten die Gerichte beantworten:

1. Verstößt diese Werbeform gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 15 der Berufsordnung der Zahnärztekammer NRW, handelt es sich also nicht um ein angemessenes Honorar und ist eine Werbung mit Pauschalpreisen zulässig?

2. Wird durch die kurze Laufzeit der Deals derart Druck auf die Patienten ausgeübt, dass deren Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist.

3. Ist diese Werbeform anpreisend nach § 21 BO Zahnärzte NRW?

Die Gerichte haben in erster Instanz alle Fragen bejaht und dem Zahnarzt die Werbung auf Groupon untersagt. In dem Berliner Verfahren wurde zudem festgestellt, dass die Groupon GmbH selbst wettbewerbsrechtlich haftet.

Alle genannten Entscheidungen sind nicht rechtskräftig!

Ich hoffe, dass die Medizinrechtler, die diese Verfahren begleiten, diese Ergebnisse zur Rechtsfortbildung so nicht stehen zu lassen und Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen einzulegen!

Der Fall:

Ein Zahnarzt bot bei den genannten Portalen über einen Zeitraum von 24 Stunden einen Gutschein an, den Interessenten  innerhalb von zwölf Monaten einlösen konnten. Es ging hierbei um eine professionelle Zahnreinigung (PZR) für 19,00 € und um ein Bleaching der Zähne nebst einer kosmetischen Zahnreinigung für 149,00 €.

Die Entscheidung:

Im gesamten Text der veröffentlichen Entscheidung des LG Köln (Aktenzeichen: 31 O 25/12) vom
21.06.2012 findet sich an keiner Stelle ein Hinweis auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Angebot von Verlosungen und zur Teilnahme an Preisvergleichsportalen. Auch an einem Bezug zu anderen stattgebenden Entscheidungen anderer Gerichte mangelt es. Stattdessen erklärt das Gericht:

Zwar kann dem Arzt, der mit der Leistung seinen Lebensunterhalt bestreitet, Werbung nicht gänzlich verboten werden, auch wenn die Werbung in erster Linie auf Akquisition gerichtet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arzt eine Verfälschung des Berufsbildes verhindern soll, d.h. dass der Arzt nicht die in der Wirtschaft üblichen Werbemethoden verwenden darf.

Dies steht im direkten Widerspruch zur langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die besagt, dass dem Arzt und Zahnarzt jegliche Werbeform zur Verfügung stehen muss, um sein Bild in der Öffentlichkeit positiv zeichnen zu dürfen. Aus dieser Feststellung folgt jedoch nicht, das jede Werbung erlaubt ist, soviel dürfte klar sein.

Zu den Fragen:

Das Gericht meint, hier sei kein angemessenes Honorar vereinbart. Auch sei es wettbewerbswidrig, Pauschalpreise festzulegen, ohne den Patienten vorher gesehen zu haben.

Richtig ist, dass der Preis die Mindestgrenzen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) nicht unterschreiten darf. Aber darüber hinaus ist der Zahnarzt in seiner Preisgestaltung frei. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits Ende 2010 erklärt, dass Zahnärzte Heil- und Kostenpläne von Berufskollegen in Vergleichsportalen bewerten und niedrigere Angebote an die Patienten unterbreiten können. Auch hier dürfte es sich um Pauschalpreise gehandelt haben, die das Verfassungsgericht toleriert hat.

Das Gericht erklärt weiter, dass ein unzulässiger Entscheidungsdruck auf den Patienten laste, wenn das Angebot nur 24 Stunden gelte.

Stellen wir uns eine Situation in der Praxis vor. Dem Patienten wird vor Ort eine PZR angeboten. Herrscht hier nicht die gleiche „Drucksituation“, ohne dass dies als problematisch angesehen wird? Ich gebe zu, beim Bleaching könnte dies anders gesehen werden, zumal das Bundesverfassungsgericht auch einer Verlosung eines Bleachings widersprochen hat.

Am Ende stellt das LG Köln auch fest, dass solche Werbung anpreisend ist. Auch das LG Hamburg (Az.: 327 O 443/11) kommt in einer aktuellen Entscheidung zu diesem Ergebnis, als ein Augenarzt eine LASIK Behandlung zum Preis von 999 € statt 4200 € anbot. Bei diesem drastischen Rabatt von 76% muss man dem Landgericht Hamburg wohl zustimmen. Wo aber verläuft die Grenze? Ist es bereits anpreisend, mit den Mindestgebühren der GOZ/GOÄ zu werben? Ich meine nicht.

Praxistipp:

Bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung dieser Themengebiete ist dem vorsichtigen Zahnarzt zu empfehlen, auf diese Werbeform zu verzichten. Dem Mutigen können die Erkenntnisse der Entscheidungen dienen, Angebote zu entwickeln, die einer gerichtlichen Prüfung standhalten.

Pragmatisch sollte sich jeder Zahnarzt fragen, lohnt sich eine solche Werbung überhaupt? Die Preisangebote sind, insbesondere unter Berücksichtigung der Provisionen an den Seitenbetreiber selten kostendeckend. Zudem ist die alles entscheidende Frage: Wer betritt mit solchen Gutscheinen die Praxis? Es werden mit Sicherheit sehr preisbewusste Patienten sein, die bereits dann die Praxis wieder verlassen, wenn ein Berufskollege billiger ist. Zur dauerhaften Neupatientengewinnung sind sicher andere Maßnahmen erfolgversprechender.

 

Jan Willkomm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht