Bereits in den 1990er Jahren hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass es dem Arzt und dem Zahnarzt erlaubt sein muss, sein Bild in der Öffentlichkeit positiv zeichnen zu dürfen. Hierfür dürfe er sich aller bekannten Werbeträger bedienen.

Fast jede gerichtliche Entscheidung, die sich mit ärztlicher Werbung befasst, nimmt Bezug auf diese Entscheidung. Gleichwohl herrscht in vielen Köpfen noch die Vorstellung des Werbeverbots im Gesundheitsmarkt. Doch jedes neue Urteil führt dazu, dass ein Umdenken einsetzt, einsetzen muss.

Am 1.6.2011  hat das BVerfG nun die Möglichkeiten der Werbung wie folgt erweitert (1 BvR 233/10):

Der Fall

Ein Zahnarzt verwendete auf der Homepage seiner Praxis die Abbildung eines Digitalen Volumentomographs, unter Nennung des Namens des Herstellers. Über die Seite gelangte man mittels eines so genannten „Pop-up-Fensters“ auch zum „online-shop“ , wo Interessierte zahnärztliche Fach-Literatur erwerben konnte. Der betreffende Verlag gehört ebenfalls dem Zahnarzt.

In einer ebenfalls von der Kammer beanstandeten Zeitungsanzeige wurde neben der Praxis auch für den Verlag und das zahntechnische Labor der Zahnärzte geworben.

Im  Rahmen  einer Ausstellung in der Stadthalle, lagen für mehrere Stunden am Stand des Zahnarztes  doppelseitige Karten zur Mitnahme bereit, mit welchen für eine Verlosung geworben wurde. Auf der Rückseite der Karten waren verschiedene Preise (Gutschein für ein Bleaching, Gutscheine für eine Professionelle Zahnreinigung, Patientenratgeber, Zahnbürsten) genannt. Die angekündigte Verlosung fand letztlich nicht statt.

Wegen dieser Werbemaßnahmen wurden berufsgerichtliche Verfahren eingeleitet, die mit Verweisen und Geldbußen in der zweiten Instanz endeten.

Die Entscheidung:

Das Bundesverfassungsgericht findet sehr klare Worte, die wie folgt in Auszügen wiedergegeben werden:

Bereits die pauschale Annahme, die Zeitungsanzeige und der Internetauftritt des Beschwerdeführers seien berufswidrig, weil zahnärztliche und gewerbliche Leistungen nebeneinander angeboten würden, ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Denn es gibt keine Gründe des Gemeinwohls, die ein generelles Verbot der Verbindung von zahnärztlicher und gewerblicher Tätigkeit im Bereich der Werbung, das auch die hier in Streit stehenden Werbemaßnahmen erfasst, rechtfertigen können.

Damit ist die Werbung für Praxis und Labor zulässig.

Auch die Werbung für die technische Ausstattung akzeptiert das Verfassungsgericht.

Die Bilder (eine Abbildung des Tomographen und eines Ober- und Unterkiefers) stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der beworbenen Apparatur. Auch der beigefügte Text wirkt nicht unsachlich. Dort wird lediglich herausgestellt, dass es sich um das einzige Gerät in einem weiteren Umkreis – östliches Ruhrgebiet, angrenzendes Münsterland und Sauerlandkreis – handele und dass es besonders strahlungsarm sei, nämlich eine 80 % geringere Strahlenbelastung als ein Computertomograph (CT) aufweise. Dies sind Angaben, die für einen potentiellen Patienten bei der Auswahl einer Praxis durchaus von Interesse sein können. Die Formulierung, der Tomograph biete „einzigartige Vorteile bei der Implantatdiagnostik“, mag zwar zugespitzt sein. Dies ist für Werbung, deren Zweck es gerade ist, das Positive eines Produkts prägnant herauszustellen, jedoch typisch und macht die Präsentation noch nicht sachfremd. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen oder irreführend sein könnten, gibt es auf Grundlage der Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen nicht.

Das Gericht führt später aber aus, dass die Nennung der Firma des Gerätes berufswidrig ist. Man vermutet hier Drittinteressen, die nichts mit der Patientenorientierung zu tun haben.

Auch die Werbung für den Verlag beanstandet das Gericht nicht. Selbst wenn sich die angebotene Literatur an Berufskollegen richte, kann bei Patienten der Eindruck einer besonderen Fachkunde entstehen. Dies ist zulässig, da Sympathie- und Imagewerbung erlaubt ist.

Die (später nicht mehr verwendete) Bezeichnung als „Zahnärzte für Implantologie“ hält auch das Gericht für berufswidrig, da die Nähe zu Fachzahnarztbezeichnungen in unzulässiger weise bestehe. Zudem entspricht diese Bezeichnung nicht der erworbenen Qualifikation „Master of Science“.

Besonders neu ist die Feststellung des Gerichts, dass eine Verlosung per se zulässig ist:

Im Hinblick auf die sich aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit ergebenden Gewährleistungen ist es jedoch verfassungsrechtlich nicht haltbar, dass die Gerichte die vorgesehene Verlosung allein mit dem Argument, es handele sich um eine Werbemethode, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sei, als gegen die zahnärztlichen Berufsregeln verstoßend eingestuft haben. Zwar dürfte der Informationswert der Verlosungskarten eher gering sein, weil weder der Tätigkeitsbereich der Praxis näher beschrieben wird noch die Karten nennenswerte sonstige Hinweise, die für die Patienten bei der Wahl einer Zahnarztpraxis in der Regel von Bedeutung sind, enthalten. Dies belegt aber noch keine Berufswidrigkeit. Denn erforderlich ist nur, dass die Werbung, wie bereits dargelegt, sachangemessen und berufsbezogen ist.

Die Kernaussage der Entscheidung, die sich Berufskollegen und Kammern besonders deutlich zu Herzen nehmen sollten, lautet:

Welche Werbeformen als sachlich und übertrieben bewertet werden, unterliegt zeitbedingten Veränderungen. Allein daraus, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, folgt nicht, dass das nunmehrige geänderte Vorgehen berufswidrig wäre. Vielmehr hat der einzelne Berufsangehörige es in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch schützende Gemeinwohlbelange gezogenen Schranken hält.

Neben dieser Grundaussage erklärt das Gericht das Verlosen von Zahnbürsten und Patientenratgebern, aber auch das Angebot einer Professionellen Zahnreinigung (PZR) für zulässig.

Beim Bleaching differenziert das Gericht und legt sich nocht nicht endgültig fest. Hier könnten durchaus schutzwürdige Interessen betroffen sein, da hierdurch zum Teil deutliche Eingriffe in die körperliche Integrität erfolgen und durch die Kostenfreiheit doch ein erheblicher Einfluss auf den Gewinner ausgeübt, von der gewonnenen Leistung, ungeachtet möglicher gesundheitlicher Risiken, Gebrauch zu machen.

Fazit:

Wieder einmal gab es einen mutigen Kollegen, der Rechtsfortbildung betrieben hat, indem er trotz der Widerstände der Kammer seinen Weg weiter verfolgt hat.

Bei allen Möglichkeiten ist aber aus meiner Sicht stets zu beachten, dass die eigenen ethischen Wertvorstellungen und noch viel mehr die Erwartungshaltung der Patienten die Grenze ärztlicher Werbung bilden sollten.

Innerhalb dieses Spielraums gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, sich von der zunehmenden Konkurrenz abzusetzen. Die rechtliche Prüfung vorab bewahrt oftmals vor unerwarteten Überraschungen und ebnet oft auch den Weg in Bereiche, die sich der Arzt oder Zahnarzt mangels Kenntnis des Standes der aktuellen Rechtsprechung nicht gewagt hätte.

 

 

Jan Willkomm
Fachanwalt für Medizinrecht
LEX MEDICORUM . Kanzlei für Medizinrecht